Morgestraich der Wäägeler

31. Januar 2016 | Von | Kategorie: Nachrichten, Top-Thema

Wenn man an einem Samstag im Januar vor einem Bauernhof oder einer Halle eine verdächtig hohe Anzahl an Geländewagen oder sonstigen Autos sieht, kann man davon ausgehen, dass in dem Gebäude eine Wagenclique an ihrem Fasnachtswagen bastelt. So auch die Routebysser, die in einer riesigen Werkstatthalle einer Zaunfabrik in Münchenstein ihre beiden Wagen bauen.

D Routebysser (seit 1985 unterwegs) bauen jeweils zwei Wagen: Einer für die 10 aktiven Wagenfasnächtler und einer für die angemeldeten Kids, welcher dann am Dienstag unter Begleitung der Aktiven durch die Stadt gezogen wird: „Familie wird bei uns gross geschrieben“ sagt der Obmaa Toni „so essen wir am Fasnachtsmontagabend jeweils mit allen verfügbaren Familienmitgliedern und Freunden im Löwenzorn“. Tatsächlich: Waggis Tobi bringt an diesem Samstag seine Tochter mit, die den ganzen Tag beim Bautrupp hilft oder am feudalen Kantinentisch die Hausaufgaben macht. Oder die Enkelin des Hausherren, die mit Oma und Papa vorbeikommt. Ich kenne andere Cliquen, wo sowas zu einem sofortigen negativen Stimmungswandel oder zu Austritten führen würde.

In dieser Wagenclique gibt es die üblichen Muster, die es in jeder Fasnachtgruppierung gibt: Die Fraktion „Junge“, die dann und wann etwas übernächtig an den Wagenbau kommen und die Fraktion „Alti“, die bauen und Angst haben, der Wagen würde nicht fertig und monieren, früher sei sowieso alles viel schneller … etc.! D Routebysser haben sich damit vorzüglich arrangiert: Beim gemeinsamen Mittagessen (es gibt einen „Cateringwaggis“, der seinen Kollegen jeden Wagenbau ein tolles Mittagessen serviert und vom Bauen dispensiert ist. Dafür muss er auch alleine abwaschen…) wird viel gelacht, die Sprüche kommen, die Betrachtungen über den Ausbaustand des Wagens gleichen sich an und man wähnt sich an einem Cliquenbummel: Gemütlich, freundschaftlich und fasnächtlich. Heute gibt’s Raclette, Wein und Silberziibeli. Eine hervorragende Ausgangslage für einen produktiven Nachmittag…

Gerade eben wird der „Binggis“-Wagen verlängert. In der Halle des Zaunfabrikanten gibt es alles, was das Wagenbau-Herz begehrt: Schweissmaschinen, Holzmaterial, Metall bis zum Abwinken, Besen (für den Waggis Toni, der – ausser Obmaa sein – eigentlich nichts an den Wagenbau beitragen kann), Bohr- und Sägemaschinen und einen Hallenkran, der ohne Mühe die grössten Bauteile hieven kann. Sowieso arbeiten die Routebysser in optimalem Umfeld: WC, Küche, Garderobe, Kantinentische, Heizung und Radio Basilisk – alles vorhanden! Damit gehören sie zu den priviligierten Wagencliquen. Es gibt Kollegen, die bauen im Freien. Bei Wind und Wetter. Oder in zügigen Scheunen in Metzerlen.

 


Das diesjährige Sujet („Psst, Basel schlooft“ – Guet Nacht*) verlangt nach einem komplett schwarzen Wagen. Alles ist schwarz, auch die Goschdym inkl. Laarve und Unterhosen und auch das Wurfmaterial. Und plötzlich merkt man: Die Fasnacht einer Wagenclique hat längst begonnen! Die Vorbereitungen, der Wagenbau, die Gemütlichkeit, die Kreativität für das Sujet – alles das wird in einer Wagenclique – im Gegensatz zu einer Fasnachtsstammclique – von 100 % der Mitglieder mitgestaltet und –getragen. Alle bauen mit. Alle dürfen, nein müssen ihre Meinung äussern („Gits schwarzi Roose?? Also kumm, mr taggere dä Saich!“). Das Goschdym am Montag abholen und am Nachmittag einsteigen – sowas funktioniert nicht. Der Cortège an der Fasnacht ist quasi der kollektive Orgasmus einer Wagenclique. Ein Nachbeben der besonderen Sorte.

Und der Morgestraich der Wäägeler? Ist die Wagenvernissage. Nicht wenige der Wagencliquen präsentieren ihr Gefährt mit einem riesigen Fest am Samstag oder Sonntag vor der Fasnacht, nach welchem es für die Aktiven immer wieder schwierig ist, sich bis zum ersten Einsatz am Montag Nachmittag wieder zu erholen… Bei den Routebysser werden es 150 Menschen sein, die dem Fest beiwohnen. Zwei Guggen, 4 Schnitzelbänggler und vermutlich eine Trommelformation, es gibt Fleischkäse, Brot und Bier und Wein.

Der vielleicht einzige Wermutstropfen an einer Wagenfasnacht ist das Geld. Baumaterial, Goschdym, Wagentaufe, Wurfmaterial im Besonderen und Essen an der Fasnacht, das alles schlägt zu Buche. Der Finanz-Waggis bei den Routebysser, Gabriel (im „zivilen Leben“ Hauptbuchhalter) verlangt pro Waggis 900 Franken für eine Fasnacht. „Es gibt Wääge, die verlangen 1200 oder gar 1500 Franken“ weiss er zu berichten. „Mit 900 sind wir im Mittelfeld“, sagt‘s und sortiert die Blagedden, eine Haupteinnahmequelle jeder Fasnachtseinheit. Viel Bau- und Wurfmaterial oder andere Leistungen werden zusätzlich von Mitgliedern gesponsert oder günstig beschafft. Würde das nicht stattfinden, wäre eine nievauvolle Fasnacht kein Thema.

D Routbysser haben noch 2 Samstage Zeit, ihre beiden Wägen fertigzustellen. Der heute etwas katerige Andi meint: „Kai Probleem, mir hänns no immer gschafft“. Der emsige Hugo, ein Gründungsmitglied der Routebysser, treibt die Truppe an: „Wir müssen noch die schwarzen Bettdecken montieren! Bin ich eigentlich der einzige, der hier arbeitet?“. Im Geheimen weiss er, dass es reichen wird. Wie in den 31 vergangenen Fasnachtsjahren auch…

*Das mit dem Sujet entspricht nicht ganz der Wahrheit. Aber d Routebysser wünschen sich, dass ihr Wagen bis zur Vernissage ihr Geheimnis bleibt.