Eine private Initiative überlegt sich, den Rädäbäng auch künftig in schriftlicher Form rauszubringen. Das Fasnachts-Comité stellt Unterstützung in Aussicht. Eine breit angelegte Umfrage soll Bedarf klären.
Nach der kürzlich bekanntgegebenen Entscheidung des Fasnachts-Comité, den Rädäbäng ab 2026 nicht mehr in schriftlicher Form anzubieten, hat sich eine «IG Rädäbäng» konstituiert, die für den Erhalt eines schriftlichen Fasnachtsführers kämpfen möchte. Initiator ist der bekannte Fasnächtler Michel Wiederkehr, seines Zeichens Tambour bei den Basler Bebbi.
Diese IG Rädäbäng hat nun sämtliche im Rädäbäng aufgeführten Gruppierungen und die Interessenvertretungen der Guggen, Wägen und Schnitzelbänkler angeschrieben und um Meinungsäusserungen gebeten, ob der Fasnachtsführer in der heutigen Form Bestand haben soll oder nicht.
Eine digitale Ausgabe reicht nach Wiederkehrs Aussagen keinesfalls, um die heute vom Rädäbäng abgedeckten Bedürfnisse zu erfüllen. Ältere Menschen oder solche mit Beeinträchtigungen würden mit einer digitalen Lösung zu wenig abgeholt – und dann gebe es auch noch den Aspekt der Fasnachtsromantik: «Ich weiss von Exilbaslern, die von ihren früheren Cliquen nach jeder Fasnacht ein Couvert bekommen mit einigen Räppli, dem Zeedel – und dem Rädäbäng.»
Die digitale Ausgabe habe ausserdem den Nachteil, dass sie nicht in einer eigenständigen App daherkommen werde, sondern als Teil einer App von Basel Tourismus, und die Angaben dann ab ca Mai gar nicht mehr öffentlich einsehbar wären.
Wiederkehr geht davon aus, dass die jetzt laufende Umfrage ein klares Bekenntnis zur Beibehaltung des Rädäbäng in der heutigen Form ergeben wird. Mit diesem Ergebnis will er dann das Fasnachts-Comité konfrontieren und um eine Wiedererwägung ersuchen. Allzu gross dürften die Chancen dafür nicht sein, wie Comité-Obmann Robi Schärz fast etwas bedauernd erläuterte: «Ich bin auch ein Fasnachtsromantiker, musste aber einsehen, dass sich der riesengrosse Aufwand nicht mehr rechnete. Zuletzt haben wir noch rund 1’400 Exemplare abgegeben.»
Rädäbäng steht Nachfolgeprojekt nicht im Weg
Bleibt es beim Nein des Comité, so überlegt die IG Rädäbäng, eine eigene Nachfolge-Publikation herauszugeben, allenfalls unter einem anderen Namen. Wiederkehr ist sich bewusst, dass er sich da mit der IG Rädäbäng eine Heidenarbeit aufhalst, andererseits müsse das Comité die Erhebungen ja auch für die digitale Ausgabe und eigene statistische Bedürfnisse tätigen – und der Comité-Obmann habe ihm in Aussicht gestellt, dass die IG dann diese Daten nutzen dürfe.
Schärz bestätigt auch, dass man einer Nutzung der Daten durch die IG Rädäbäng nicht grundsätzlich entgegenstehe: «Es ist sinnvoll, dass die IG nicht nochmals alle Daten bei den Formationen erheben muss. Wir müssten uns aber schon noch über die Konditionen unterhalten. Die Erhebung, die bei uns gemacht wird, wird ja mit ‘Fasnachtsgeld’ finanziert. Aber wir werden sicher eine Lösung finden.»
Schärz zeigt sich beim Telefonat etwas erstaunt, dass diese «Rädäbäng-Sache» einen derartigen Wirbel ausgelöst hatte. Sogar die sonntägliche Comedy-Serie von Stefan Büsser nahm sich der Sache an und kreierte einen Rädäbäng-Song.
Man will diese Reaktionen ernst nehmen und nach Möglichkeiten suchen, zumindest Teile des Rädäbäng so aufzubereiten, dass man sie runterladen und ausdrucken kann: «Da wird es wohl irgendeinen Knopf geben, den man in der App oder auf unserer Homepage drücken kann.»
Weltkulturerbe-Status nicht gefährdet
Der Befürchtung von Michel Wiederkehr, mit der Digitalisierung des Rädäbäng werde der Status der Basler Fasnacht als immaterielles Weltkulturerbe gefährdet, wird von Fachleuten eher widersprochen. Der IG-Rädäbäng-Gründer argumentiert damit, dass die Bedingungen der UNESCO einen Erhalt im Bestand fordern – und: «Der Rädäbäng in gedruckter Form ist integraler Bestandteil der Basler Fasnacht.»
Da ist Alain Grimm skeptisch. Der Fasnächtler und Historiker setzt mit einem neutralen Verein für alle Trägerinnen und Träger der Basler Fasnacht (d.h. von Einzelmasken über Vereine) die vorgeschlagenen Massnahmen im Rahmen der UNESCO-Vereinbarung um:
«Im Prinzip geht es um eine systematische Auseinandersetzung mit Archiven, wie die Quellen zugänglich gemacht werden und wie die Basler Fasnacht aus der Optik immaterielles Weltkulturerbe bewahrt werden kann.» Eine Gefahr sieht er in der Comité-Entscheidung nicht: «Nein, ich erkenne keine griffigen Argumente, die diese Befürchtung rechtfertigen könnten. Prozesse der Digitalisierung haben auch bereits in anderen Teilen der Basler Fasnacht Einzug gehalten.»
Auch Grimm schätzt den Rädäbäng sehr: «Er gibt einen systematischen Überblick als Schnelleinstieg für die Suche nach Sujets und Vereinen. Wobei anzumerken ist, dass die Sujets jeweils auch kryptisch eingetragen sind; genauso wichtig sind die Zeedel und andere Quellen. Der Rädäbäng hat für Historiker einen Stellenwert wie z.B. Adressbücher, Personenregister, usw. und ist nicht nur für die Inhalte, sondern auch für die Statistik eine tolle Quelle – je nach Fragestellung.»
Staatsarchiv hat nichts gegen Digitales
Fragt man in dieser Sache beim Basler Staatsarchivar Stefan Nellen nach, so ist ebenfalls kein negatives Gefühl über den Comité-Entscheid zu erkennen. «Wir begrüssen den digitalen Wandel und fördern diesen im Kontext der Archivierung. Wir vereinfachen die Überlieferungsbildung und den Zugang zu archivierten Unterlagen. Auf diese Weise steigern wir die Wertschöpfung im Archiv.»
Für das Basler Staatsarchiv spielt die Fasnacht eine grosse Rolle, sagt Nellen: «In unseren Beständen steht umfangreiches Akten- und Bildmaterial zur Fasnacht für die interessierte Öffentlichkeit und die Forschung zur Verfügung. Darunter findet sich u.a. Fasnachtsliteratur von 1805 bis 2025, wie etwa der Rädäbäng, Fasnachtszeedel des Fasnachtscomité von 1968 bis 2025, Informationen zu Trommeln, Fasnacht von 1546 bis 1935. Auch das Archiv des Basler Fasnachts-Comité befindet sich im Staatsarchiv, es umfasst den Zeitraum von 1798 bis 2009.»
Und so wird künftig vielleicht der Rädäbäng nicht mehr real in den Regalen des Staatsarchivs stehen, dessen Inhalt aber schon: «Wir werden den Rädäbang auch weiterhin, d.h. in digitaler Form, archivieren», versichert Nellen.



