Auf eine äusserts kurzweilige und unterhaltsame Zeitreise in die 60er-Jahre nimmt das Mimösli in der 2024er Ausgabe die Zuschauenden mit: Egal, ob Rahmestiggli oder Fasnachtsmusik, alles ist Retro – und richtig chic. Regisseur Dani von Wattenwyl und Mit-Texter Carlos Amstutz ist zusammen mit dem bewährten Ensemble ein sehr guter Wurf gelungen. Besonders zu erwähnen ist der grandiose Prolog, der ein mehr als nur unterhaltsames Programm einleitet.
Da reden – gerade zum Jahreswechsel – die Kommentatoren von ganz neuen Zeiten, ja sogar «Zeitenwenden» – und doch ist die Aktualität zumindest im lokalen Bereich heute gar nicht so weit weg von derjenigen der 60er Jahre. Das Mimösli beweist dies auf locker-beschwingte Art und schlägt eine Brücke in die Sixties. Das fängt mit „The Mimöslers“ an: Das Ensemble besingt als 60er-Band ausstaffiert im Prolog, wo in Basel der Schuh drückt, und dies zu Melodien der Beatles, Hollies, Jerry Lee Lewis, Elvis und und und…
Von manchen Problemen, die Basel in den Sechzigern wie heute drücken, wollten wir eigentlich gar nichts mehr hören respektive hatten das Gefühl, darüber gerade in den Vorfasnachtsveranstaltungen schon alles gehört zu haben. Das Sujet «Baustelle» erscheint gerade unter diesem Gesichtspunkt etwas dünn. Trotzdem thematisiert das Mimösli-Team im „Aescheplatz-Musical“ die ewigen Verkehrs- und Stauprobleme an diesem «Qualenplatz» – und hat recht damit.
Köstlich auch, wenn die damalige Kultsendung «Was bin ich?» von Robert Lembke in die heutige Zeit versetzt wird. Die damaligen Kultfiguren Annette und Guido müssen unter anderem einen Klimakleber erraten (von den Pointen vielleicht etwas sehr viel Hellebarde anstelle des Floretts) und als Prominenten dann von Wattenwyl selbst, der dabei sehr viel über sich selbst lachen lässt.
Beim Ensemble profitiert das Mimösli von der Kontinuität: Nebst von Wattenwyl selbst bleibt es beim bewährten Team mit Hedy Kaufmann, Nicole Loretan, Carlos Amstutz, Maik van Epple und Michael Eckerle. Man merkt eben, dass sich die Gruppe durch unzählige Auftritte in Schwänken unter dem Jahr blind versteht.
Speziell erwähnt werden muss hier aber die «Grande Old Lady» des Mimösli, die mit unglaublich viel Power und Präsenz agiert. Zu Recht erhält Hedy Kaufmann ein Solo, in der sie rührselige Fasnachtsverse mit eigenem Erlebten perfekt kombiniert und gekonnt mit ihrem doch etwas reiferen Alter kokettiert. Dieses bringe auch eine Farbenschwäche mit sich: „Allwyl wenn ich e Griene geh, kunnt mir s Graue.“
Das hochverdiente Sonderlob soll aber die Leistung der übrigen Teammitglieder in keiner Weise schmälern. Dass diese auch singen können, beweisen sie in mehreren Nummern, meist unterstützt von der Band mit Beat Schürpf und Michael Argast (Schlagzeug), Emmi Lichtenhahn und Pascal Ujak (Bass) sowie Thomas Kuli und Jaro Milko an der Gitarre.
Trotz Retro-Akzent dürfen die Schnitzelbängge natürlich Spitzen und Pointen über das aktuelle politische Geschehen bringen. An der Premiere waren dies «s spitzig Ryssblei», dessen Körper mehr Baustellen habe als Basel, und «d Gryysel» mit einem Monstervers über den Basler Neo-Bundesrat als «honOHRigen» Charles-Nachfolger. Gleich zu mehreren Auftritten kam – immer während Umbau-Pausen «dr Schyynhailig», der kräftig auf den katholischen Klerus eindrosch.
Auch fasnachts-musikalisch geht es auf Zeitreise: Von Piccognito mit ihrem Sixty-TV-Film- und Serien-Medley (bei dem es nur schade ist, dass die angespielten Titel mit Grosseinblendern genannt werden und so das eigene Rätselraten entfällt) über die Tambouren «d Rötzilisgge vo Stickstoff, die beim viel zu früh verstorbenen Schweizer Formel 1-Fahrer Jo Siffert in der Garage auf den Putz hauen – überall hat es Retro und viel Sixties drin. Auch bei den «Ventilatore», die das Publikum mit viel Jazz und Swing in die Pause schicken.
Bei so viel (verdientem) Lob sei auch etwas Kritik erlaubt. Das Rahmenstück über die ausschliesslich weibliche Delegation, die Basel-Stadt nach Bern schickt – was deren Partner vor einige Herausforderungen stellt – ist etwas langfädig geraten und die Einleitung zum Prolog, in dem Inspekteur Clouseau die Basler Fasnacht erklärt wird (train de merde = Schyssdräggziigli…) erreicht leider das sonstige Niveau nicht.
Aber es bleibt das Fazit: Die launige Zeitreise erreicht ihr Ziel gleich doppelt. Das Publikum wird mit vielen «Waissch no?»-Momenten glänzend unterhalten und kann sich durch das Geschehen auf der Bühne von den aktuellen kriegerischen Ereignissen lösen und abschalten. Dies ist ganz im Sinn von Mimösli-Macher von Wattenwyl, der schon im Interview vor der Premiere betonte: «Wir wollen einen Ausgleich schaffen und bieten Jogging fürs Gemüt.» Dass ist in der Ausgabe 2024 äusserst gut gelungen.
Mimösli 2024. 6. Januar bis 10. Februar 2024. Mo – Sa: 19.30. Nachmittagsvorstellungen: Sa 14.30, So 15.30 Sonntag 14.01.: 14.00 + 18.30. Vorverkauf: www.haebse.ch oder via Kasse: +41 61 691 44 46. Neben den herkömmlichen Tickets stehen auch in diesem Jahr für alle Vorstellungen zusätzlich noch Hospitality- Plätze (Comfort-Bestuhlung und All-Inclusive) zur Verfügung. Tickets sind erhältlich unter: hospitality@haebse.ch.