Erinnerungen – vorwärts – Marsch

6. Februar 2013 | Von | Kategorie: Hyylgschichte

Grazia ist Pfeiferin bei den Claraplätzlern. Seit sie denken kann, gibt es die drey scheenschte Dääg für sie. Mit ihren 46 Jahren hat sie schon einige Cortège hinter sich, viele neue Märsche gelernt und viele Töne gespielt.

So auch an diesem Fasnachtsmontag. Der Tambourmajor sagt gerade den nächsten Marsch an, den Glopfgaischt. Den Marsch, mit dem sie und eine ganze Gruppe junger Pfeiferinnen am Offizielle auf der Bühne standen und ins Final kamen. Dort belegten sie zwar den letzten Platz, aber allein die Erinnerungen an die gemeinsamen Übungsstunden, den Zusammenhalt und die Freudentränen sind ihr noch sehr präsent.

Kaum sind diese Gedanken verflogen, ist der nächste Marsch an der Reihe. Der Saggodo ist angesagt, schneller marschieren dazu. Ein kleines Lächeln huscht Grazia über die Lippen. War sie doch in der Jungen Garde der Claraplätzern für die Marschansage zuständig. Als sie beim „vierten König“ den Saggodo damals ansagte, wusste sie nicht, dass der Vortrab den Rheinsprung geplant hatte. Sie hatte mit ihrer dritten Stimme weniger Probleme, aber ihre „Gspäänli“ waren doch sehr aus der Puste und etwas säuerlich.

Die Claraplätzler sind mittlerweile vor dem Rheinfelderhof angekommen und machen eine Pause. Grazia will die Fasnacht in allen Zügen geniessen, holt sich ein Cola Zero und stellt sich an den Strassenrand. Eine Gugge zieht an ihr vorbei und spielt Maid of Orleans, den Song, zu dem sie und ihr Mann sich kennengelernt und eng dazu getanzt haben. Damals am Kehruss vor 15 Jahren. Ihr Mann ist aktiver Zuschauer und unterstützt sie immer. Wieder lächelt sie selig.

Ein lautes „Yystoh!“ vom Zugchef reisst sie aus ihren Gedanken. Das Nunnefirzli wird angesagt. Etwas wehmütig fängt Grazia an, das Piccolo zum Klingen zu bringen. Irgendwie will es nicht so recht, die Erinnerungen an den Komponisten und seinen Tod sind ihr noch sehr präsent. „Reiss dich zusammen, Grazia!“ sagt sie sich und pfeift voller Inbrunst, damit sich der Komponist im Fasnachtshimmel freuen kann.

Nach dem schnellen Block mit San Carlo, Unggle Sam und Basler Marsch wird es wieder ruhiger. Der Elfer ist angesagt. „Ausgerechnet der Elfer!“ Eine Träne rinnt ihr unter der Larve die Wange herunter. Vor drei Jahren hatten sie eine normale Übungsstunde, als plötzlich der Obmann den Raum betrat und verkündete, dass eine ihrer jungen Vorträbler seinen Leiden erlegen ist. Es hatte doch Hoffnung für sie gegeben, sie war doch eine Kämpferin gewesen. Die Stimmung war im Keller, alle betroffen. Der Instruktor sagte dann, jetzt pfeifen wir für sie noch den Elfer und dann hören wir auf. Alle gaben sich Mühe, den Marsch so schön wie möglich für die grosse Kämpferin zu pfeifen. Grazia wischt sich beim nächsten Halt die Träne von der Wange und widmet sich, nun etwas wehmütiger, wieder dem Treiben am Cortège.