Cortège Montag: Schleusen zu – Vorwärts Marsch!

10. März 2025 | Von | Bilder: André Auderset und Klaus Brodhage | Kategorie: Nachrichten

Nur kurz hatte Petrus die Fasnächtler geärgert. Zum Beginn des Cortège waren die Strassen abgetrocknet. Ein manchmal bunter, aber oft auch grau-schwarz düsterer Zug bewegte sich auf der Route, die ungewohnterweise nun auch durch den Claragraben führte. Vom dortigen Comité-Standort die nachfolgenden Eindrücke.

Zum ersten Mal musste der Cortège durch den Claragraben am Comité vorbeiziehen – man wünscht sich, dass es 2025 auch das letzte Mal ist. Zum einen ist es dort eng, vor allem, wenn sich zwei Wagen kreuzen. Zum anderen fehlt dem Kleinbasel der «Messebogen» und die Route wird dadurch auch kürzer. Wobei man es bei den auch heute auftretenden «Lunge» kaum glauben mochte.

Je nach Standort und Uhrzeit erhält man selbstverständlich einen sehr subjektiven Eindruck, welches die am meisten ausgespielten Sujets sind. Am Montag und am Claragraben konnte man sich auf alle Fälle sehr sicher fühlen, so viele Sc «Schugger» zogen da an einem vorbei:

In einem Fall – siehe unten – führte ein recht gut gelungenes Double unserer Polizeidirektorin den Zug an, nämlich den der Krach-Schnygge. Nicht nur das: Ab 16 Uhr nahm sogar das Original ihren Platz im Zug ein. Warum erst dann? Weil sie vorher noch auf dem Wagen der Privé Waggis teilnahm.

Das Sujet der Schnooggekerzli «Stephi uf d Gass!» bekam damit einen Schuss Wahrheit

S Korps wird drum glainer – und dr glai Maa wird blass
wenn s so wyter goot, muess d Eymaa glyy sälber uf d Gass

Weil nun noch viele Zitate aus den am Cortège verteilten Zeedel kommen, erst eine Warnung an alle Baseldytsch-Puristen: da gibts auf den Zeedel die abenteuerlichsten Schreibweisen – wir übernehmen hier diejenige der jeweiligen Dichter und verweisen ansonsten auf denjenigen der Kloschterräbe:

S verlangt kai Mensch, dass alli wo
dä Zeedel lääse, au esoo
mien schwätze, wie mir do schrybe
mer wänn ganz gwiss nit iberdrybe

Wie vom Comité schon vorrangig eruiert, stehen bei den lokalen Sujets der ESC, der abgesagte Totentanz und 100 Jahre Tinguely im Vordergrund – ein Eindruck, der sich auch am Cortège bestätigt. So bei den Schäggejätter und den Spezi:

 

Oder bei  Vorstadtgässler mit einer wahren Hymne an Jeannot:

Wenn mir im Schlissel am Pissoir hängge
Diemer diss Joor an Dy dänge
Mer dien e Fasnachts-Brunne mache
und mien fascht e bizzli lache
Mer brünzle Värsli jo, s ischwoor
Zum Fyyre vo Dyne hundert Joor

Die Sans-Gêne hoffen, dass der ESC einen Kontrapunkt zu anderen, weniger erfreulichen Entwicklungen setzt:

In Zitte vom gruusige bruune Narziss
isch dr ESC äigentlig e riise Bschiss
oder e Fanaal in glitzerndem Gwand
und e Hailmittel geege dr Wältebrand

In der Hitliste der regionalen Sujets ganz oben ist der abgesagte Totentanz oder wie es die Rootsheere schreiben:

Wäge fäälende Finanze
losst me die Tote nit lo tanze

Die Pleite wundert den Stamm der Märtplatz-Clique nicht mit ihrem resignierenden Sujet «es het sich ustanzt!» und dem Vers:

D Verwaltig vo Kanton und Staat isch
natuurgemäss vor allem statisch
Drum ka si sich im Daatereige
bim Hiete vo de Aggte zaige

Jetzt aber erst wieder ein paar optische Eindrücke:

Und der Stamm der Agfrässene verbindet die beiden Themen Totentanz und ESC, wobei wir diese Hoffnung nur teilen können:

Mir hoffe schwär die hänn am ESC
e bessers Organsationscomité

Auch der Barbara-Stamm verknüpft den Totentanz mit anderen lieb gewordenen Institutionen, die verschwunden sind wie Franz Carl Weber, Café Spitz oder die Kinos in der «Staine» und kommt auf eine unerwartete Wendung:

Ryych bisch hit, es isch wie s isch
wenn d Bsitzer von ere Schoggi bisch

Wie schon in den Vorfasnachtsveranstaltungen kommen die «Schugger» kräftig dran, vor allem wegen der Rekrutierungsprobleme. So beim Stamm der Schnooggekerzli:

S Korps wird drum glainer – und dr glai Maa wird blass
wenn s so wyter goot, muess d Eymaa glyy sälber uf d Gass

Eher skeptisch gibt sich der Stamm der Naarebaschi, ob die Probleme der Basler Polizei gelöst werden können – sehr originell dazu:

Mit em Mässerli an dr Keele soll e Würgler-Griff alles stabilisiere
fascht e Mission Impossible die Welf in Schoof z transformiere

Dann gibt es noch Cliquen, die mit ihrem Sujet das ganze Weltgeschehen abhandeln, so die Verschnuuffer mit dem Sujet «Nobel goots bachab – lueg ewägg!» und sehr aktuellen Themen wie der schwierigen Suche nach einem Amherd-Ersatz:

Ersatz ka d «Mitti» kain finde
schynts wott sich kain dä Job uffbinde
Der Ängelbärger blybt gärn so
är haig e Pargplatz und syg froh

Ihren gesammelten Weltschmerz bringt der Stamm des Central Club Basel auf den Zeedel und benennen sich gleich um in «Cain Casch Bruuche – mit diir red ich nit». Sie beklagen die verschiedenen Spaltungstendezen und reimen kurz und knapp:

Egal was für e Regle herrscht
Me, Myself and I kunnt zerscht

Auch ziemlich Weltschmerz haben die Rosshofspatze vo de Agfrässene, mit dem alles und nichts sagenden Sujet «Pfff…» und einer Aufzählung des globalen Elends auf dem Zeedel – so dass sie nur noch wünschen:

Bi däm eländ wieschte, verreggte Puff
miecht me am liebschte grad dr Deggel druff!
Stell Dir vor, es wär gaar nit schweer
Pandoras Büggse wär nur e Tupperware

Als Berichterstatter erlebt man allerlei – aber etwas von heut hat mich doch noch erstaunt. Da kommt ein mit Arztkittel Kostümierter und erklärt, mir seine Diagnose buchstäblich handfest mitzuteilen:

Das Klima-Thema ist weit weniger dominierend als im vergangenen Jahr. Einen ganz kritischen Kollateralschaden des Klimawandels befürchtet die Basler Mittwoch-Gesellschaft, die apodiktisch den Zeedel überschreibt mit «Rächt uff Skifahre» und dazu reimt:

S greescht Problem wo mir hitt hänn
isch, dass mir uff d Pischte wänn
mir fordere im Schnällverfahre
s Rächt uff Ski- und Snowboardfahre
mir fordere vom Grosse Rot
d Pflicht zum Neuschnee-Notvorrot

Beim Stamm der Rhygwäägi überlegt man sich, ob die Emissionen eines Feuerwerks am Nationalfeiertag eventuell dadurch kompensiert werden können, dass alle Besucher auf andere «schynts» schädliche Dinge verzichten – das Ganze unter dem Sujet «E Löffeli Spinaat für s Klyyma»:

Dangg Füürwärgg minus Schnitzelbrot
plus Vegiwurscht moll Maissalat
glingt am 31gschte dr CO2 Bilanz-Spaagat

Und wenn nicht? Die Wiehlmyys sind entspannt, obwohl sie die Frage «Stärbe au mir uss?» bejahen – aber in tröstlicher Weise:

Es sell jo niemerem dr Daag verdäärbe
aber jäwoll, mir wärde laider usstärbe
S’isch druurig und s’isch laider woor
in ebbe acht Millione Joor

Da würde ich doch vorschlagen: Solange machen wir noch Fasnacht – in diesem Sinn: Ab uf d Gass! Aber erst noch ein paar Bilder vom heutigen Cortège:

Auch unser Fotografen Klaus Brodhage hat noch einige Impressionen eingefangen: