«Es ist seltsam, je mehr Geld wir in die Beleuchtung investieren, desto dunkler wird es auf der Bühne», klagte Programmchef Daniel Thiriet vor der Charivari-Premiere 2004. Und tatsächlich präsentiert sich die diesjährige Ausgabe dieser Vorfasnachtsveranstaltung über weite Strecken eher düster, sowohl, was das Licht selbst angeht, als auch bei der Stimmung. Das «Nunnefirzli», welches das ganze Stück über in verschiedenen Varianten gespielt wird, erscheint mehrheitlich in Moll.
Für die Lichtpunkte im übertragenen Sinn sorgen dafür die musikalisch-fasnächtlichen Elemente, manchmal traditionell, manchmal in bester Charivari-Manier experimentell. So riss der türkische Perkussionist Burhan Öçal bei seinem Solo das Publikum zu Recht zu einem begeisterten Applaus hin. Nicht ganz so gut weg beim Publikum kam sein Duo mit Edith Habraken, obwohl die Kombination aus baslerischer Trommeltradition und Schlagkunst aus dem vorderen Orient mehr als nur gelungen war.
Für weitere Höhepunkte sorgte die Pfeifergruppe «Jetz Paggis» unter Leitung von Kurt Stalder, sei es mit dem «Ethnomarsch» oder mit der «Larvenwand». In nichts nach standen ihnen die «Sans Gêne», die vor allem mit der äusserst stimmungsvollen Eröffnungsnummer brillierten. Und geradezu sensationell präsentierten sich Ivan Kyms «Chirsibuebe» beim «Disput» als Begleitung eines Ehekrachs. Man hörte die schreienden Männer und keifenden Weiber förmlich aus den Trommelschlägen heraus.
Was in der diesjährigen Ausgabe des Charivaris speziell gut, ja einmalig gut, gelungen ist, sind die Übergänge vom gesprochenen Teil zu den musikalischen Elementen. Da gibt es – nicht einmal bei der toll schränzenden Gugge «Fasadeschränzer» – nicht die geringste Zäsur zwischen Wort und Ton, da fliesst alles ineinander, da bildet alles eine Harmonie. Zweifellos ist dies ein Verdienst des neuen Regisseurs Stefan Huber. Und wo dieser Übergang nicht von selbst gegeben ist, da sorgt Thomas Lumholtz mit seinem Akkordeon für den fliessenden Wechsel.
Ein grosses Lob gehört auch dem Schnitzelbangg «Schörloggs», früher als «Stinkmorchle» bekannt. Auch wenn noch nicht alle Mitglieder der Formation ganz textsicher waren, lassen sich die Verse mehr als nur hören, wobei vor allem derjenige über die Abschaffung des Basler Gratissargs für Furore sorgt. Peinlich berührt ist man allerdings, dass Mitglieder dieses Banggs in einem Auftritt vor der Pause im Larvenatelier Zweizeiler aufsagen, welche die Gürtellinie um Meter unterschreiten. Laut Produktionsleiter Jonas Blechschmidt hat dies aber durchaus seinen Grund. Man habe sich zwecks Recherchen vorgängig bei einem bekannten Larvenmacher eingenistet und dabei genau solch primitiven Erlebnisse erfahren. Derart unrühmliche Protagonisten seien also gewarnt: irgendwann kommen solche Exzesse immer ans Licht, und sei es ans Bühnenlicht des Charivaris.
Bei allem Lob sei auch etwas Kritik erlaubt – und diese betrifft das Stück selbst, welches als roter Faden durch die Vorstellung dient: Der Faden ist manchmal etwas sehr dünn gestrickt. «Dr Larvemacher» – mit Untertitel «e Gschicht über Liebi, Laid und Larve» – spielt in einem Larvenatelier vor 20 Jahren und heute. So richtig erschliesst sich dem Zuschauer nicht, warum die neu eintretende Larven-Assistentin Anja sich auf ein Abenteuer mit dem Larvenmacher einlässt, nach einer Nacht aber bereits wieder auf Nimmerwiedersehen verschwindet – genauso wenig, warum der Larvenmacher sich auch nach 20 Jahren immer noch wegen der Verschwundenen im Alkohol bedauert. Problematisch ist auch, nach der Pause mit dem Tobi eine neue Figur einzuführen, die dann aber kaum ausreichend skizziert wird. Dem Kreativteam des Charivaris ist aber zu gute zu halten, dass die «Story» nicht mit einem platten Happy-End schliesst, sondern viele Fragen offen lässt. Der Schluss ist dann allerdings etwas gar offen; erst am aufflackernden Licht im Zuschauerraum merkt das Publikum, dass das Ende gekommen ist.
Wenn auch die Geschichte nicht vollumfänglich überzeugt, so tut dies das Ensemble – speziell Daniel Buser, der nach dem letztjährigen Otti S. Heuss erneut einen hervorragend zerrissenen Typen abgibt. Mit viel Feingefühl und wunderschöner Betonung agiert auch Yangzom Brauen als Anja, und Roland Herrmann spielt einmal mehr in hervorragender Weise die Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert ist. Einiges anhören müssen dürfte sich in den nächsten Tagen Roger Zehringer: Die Pfeifer-Primadonna darf ausgerechnet einen Tambour verkörpern.
Insgesamt ist das Charivari 2004 ein absolut gelungenes Stück, das man einfach gesehen haben muss. Die beste Gelegenheit dafür ist der heutige Montag; da soll es noch rund 80 Karten haben. Ansonsten sind noch vereinzelte Tickets zu ergattern, bis 16 Uhr jeweils im Vorverkauf, danach an der Abendkasse.