Nach dem grossartigen Erfolg im vergangenen Jahr waren die Erwartungen an das Charivari 2023 hoch – sie wurden vollends erfüllt!
Man soll ja mit Superlativen immer etwas zurückhaltend sein, vor allem wenn es sich um kulturell-künstlerische Themenpunkte handelt. Trotzdem muss man den Machern des diesjährigen Glaibasler Charivari erneut ein übergrosses Kränzchen winden und ihnen zur Gestaltung des Programms gratulieren. Aber natürlich sind es die Interpreten, Protagonisten, Schauspieler und Musiker, welche das Lob einheimsen dürfen, müssen sie doch unter der Anleitung der Macher auf der Bühne funktionieren und das tun sie vortrefflich.
Das erste Lob muss heuer der wohl jüngsten Fasnachtskünstlerin am diesjährigen Charivari ausgesprochen werden. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Kleinbasler Vorfasnachtsveranstaltung pfeift ein „Charivarimännli“ oder in diesem Fall „Charivarifraylain“ alleine, die Erkennungsmelodie durch den Volkshaussaal. Was in der Vergangenheit entweder vom Band oder durch die Schäärede in der Gruppe als Ouvertüre dargeboten wurde, trillert die erst kürzlich gekrönte „Pfyfferkeenigin bi de Binggis“ Alice Kolp selbstbewusst durch den Saal. Toll gemacht! Das ist sicherlich ein Moment im noch jungen Leben der Neunjährigen, der ihr noch lange in guter Erinnerung bleiben wird.
Alsdann das Charivari-Ensemble mit Olivia Zimmerli, Tim Koechlin, Stephanie Schluchter, Tatjana Pietropaolo, Martin Stich und Beatrice «Struppi» Waldis. Sie agieren wieder mit enormer spielfreudig und überzeugen in den Raamestiggli: vom Prolog, wo gefragt wird, wie wir sparen und ob man in Basel überhaupt noch Fasnacht machen darf, oder d Bschäärig wo schlussendlich doch nicht verraten wird wo der Junge künftig Fasnacht macht. Die Texte stammen von Regisseur Lucien Stöcklin.
Die Darbietungen sind voller Elan und man verspürt die Freude, welche es den Schauspieler/Innen macht wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Besonderen Anklang fand „e Zuemuetig“ bei welchem sich privilegierte Stadtbewohner über kleinere und grössere Sörgeli in ihrem Quartier beschweren dürfen und von einem Esotherik-Guru mit viel Chakra (Martin Stich) geleitet wird. Ein urkomisches und lautes Aufeinander treffen von ganz speziellen Charakteren (speziell Stephanie Schluchter in ihrer Paraderolle als Marie-Therese Ruckstuhl) , die allesamt von den tollen Schauspieler/Innen ganz hervorragend dargestellt werden. Es entbrannte immer wieder Szenenapplaus und laute Lacher, wenn Tatiana Pietropaolo aufsteht und praktisch in militärischer Achtungsstgellung „e Zuemuetig!“ ruft und Tim Koechlin seinen Kuckuck nicht kontrollieren mag. Grossartig.
Aber auch die Comité-Obfrau, welche mit übergrossem roten Hut dargestellt (Stephanie Schluchter), auf die Schippe genommen wird und verkündet, dass es wieder eine Fasnacht geben soll, welche den Namen Fasnacht verdient und ihr dabei die Obfrau der Guggemussig Schränzbiinli (Olivia Zimmerli) die Meinung summt, brachte enorm viel Spass in den Saal. Auch hier wurde, ob dem Text, immer wieder zustimmend Beifall gespendet.
Mit einer Homage an die Bühnenarbeiter, welche kein Licht sehen und immer im Hintergrund „chrampfen“ wurden diese auch mal in den Vordergrund gezerrt und unter tosenemdem Beifall deren Arbeit verdankt unter dem Motto: „ooni uns gäbs kai Charivari“. Ist einem so richtig unter die Haut gegangen. Das bewährte Charivari-Ensemble ist auch in diesem Jahr aussergewöhnlich gut! Es macht einfach Spass ihnen zuzusehen. Bravo!
Wunderbar Einfühlsam war auch das Solo von Olivia Zimmerli, in welchem sie die Besucher mit auf eine umfangreiche Kleinbasler Beizentour mitnimmt und frohlockt, dass es gar nicht so schlecht aussieht in Bezug auf das Beizensterben im minderen Basel.
Beim Hausbank, welcher gemäss offiziell bestätigten Aussagen einen Vertrag bis 2075 am Charivari inne haben soll, handelt es sich natürlich um d Gwäägi, nicht etwa um d Gwäggi, was immer wieder falsch gesagt oder geschrieben wird und der Baseldeutsche Ausdruck von Stein ist, der Schnitzelbank jedoch 6 ausgewachsene Krähen darstellt. D Gwäägi, eine Klasse für sich, welche vor allem mit ihren Langversen zu begeistern wissen und praktisch in jeder Zeile eine Pointe einzufügen vermögen. In dieser Fasnachtssaison wurde die Fussball-WM in Katar thematisiert und die Verse in verschiedenen Mani Matter Melodien vorgetragen! Immer wieder ein Hochgenuss.
Der gleichen Schnitzelbankgesellschaft (Comité 1914) gehören d Gryysel an. Mit ihrer sakralen Orgelmusik und nicht immer so ganz sakralen Versen, gehören sie seit mehreren Jahren zum Besten, was das Schnitzelbankwesen zu bieten hat. Wunderbar bissig, zum Teil bewusst grenzwertig was den Bereich Hosenbund anbelangt, aber immer ehrlich treffend, was die drei Kardinäle und der Ministrantenbueb auch in diesem Jahr auf die Bühne bringen. Verwunderlich ist jedoch, dass sie im ebenfalls im Kleinbasel stattfindenden Mimösli praktisch Zeitgleich engagiert sind, das gibt eine anstrengende Vorfasnacht für die vier!
Nach ihrem letztjährigen Augen- und Ohrenschmaus zusammen mit der Charivari-Rockband und „i’m Gonna Be„, begeistern die Pfyffergrubbe d Schäärde auch in dieser Spielzeit das Publikum und verblüffen mit dem aus der Feder von Michael Robertson stammenden „Burzelbaum„. Zudem reissen sie die Gäste mit einem Medley aus „West Side Story“ zusammen mit Streicher und der Charivari-Rockband von den Sitzen. Wunderbar farbenfroh und eigentlich schon der Höhepunkt, wenn da nicht noch eine Schlussnummer kommen würde.
Musikalisch hochkarätig sind auch die Basler Rolli Fasnachtsgesellschaft 1969, insbesondere mit dem „Sixty-Nine“ mit welchem sie bereits schon in der Vergangenheit geglänzt hatten. Aber auch mit der „Route Synphonie“ und dem „Voila“ im ersten Programmteil und dem „dr Basinga“ der Drummelgrubbe vo de Basler Rolli vor der Pause, wussten sie allerbeste Fasnachtsmusik zu präsentieren und schlüpften zudem in drei unterschiedliche Kostüme. Chapeau!
Ebenfalls hervorzuheben ist „dr Fasnachtsdonnschtig-Blues“ mit Lucien Stöcklin und dr Charivari-Rockband, ein melancholischer Tränendrüsendrücker mit absolutem Wohlfühlcharakter. Viel fetziger alsdann nach dem Pausenbierchen die Negro Rhygass mit neuem Emblem und bewährter, alter Klasse. Sie fegen mit knackigem Fife and Drum sowie einem „Guggenmedley“ durch den Saal, dass auch den Nichtguggenfanatiker der Atem stockt. Nach 1985, 2012 und 2015 ist es bereits der vierte Auftritt am Charivari für den Kleinbasler Traditionsverein und wird bestimmt nicht der Letzte sein. Typisch NegroBuebe halt!
Ebenfalls aus der wohlbehüteten Mottenkiste aus vergangenen Charivari-Zeiten feiert das Trio Piccolo Piano ein grossartiges Revival. Was in den 70 Jahren eine reine Männersache darstellte, wird im 2023 durch ein Frauen-Trio grossartig wiederbelebt. Annika Kurz-Julliard und Barbara Freiermuth mit dem Piccolo und Barbara „Kurtli“ Kleiner am Piano feiern am Charivari eine tolle „Revue“ und das Premierenpublikum zeigt sich begeistert. Sie durften sogar eine kleine Zugabe bringen.
Sehr lustig dann die Tambourenformation mit dem etwas ungewöhnlichen Namen Cirque de Genoux, was soviel wie Zirkus vom Knie bedeutet, das allenfalls auf den Zirkus Knie zurückführt oder den Zirkus welcher am Rheinknie vollzogen wird, begründet ist…. Mit „Je ne Retraite rien“ lehnen sie alsdann auch mit dem Trommeltitel an den französischen Nachbarsstaat an, die Trommelkünste für sich deuten jedoch stark auf die Basler Schule hin, vergleiche man die Trommelschlegel mit einer hiesigen Show-Trommeltruppe… Die 8 Schlegeljongleure sorgen für überschäumende Belustigung. Hat Spass gemacht.
Und nun steht sie an, die Schlussnummer und die Gäste im vollbesetzten Volkshaussaal rutschen nervös auf ihren Stühlen umher. Als Sensation im Programmheft und schliesslich auf der Grossleinwand angekündigt: eine exklusive Verpflichtung der ABBAtare, welche ihr, in der Arena in London gegebenes digitales Konzert, nun im Charivari 2023 den jeweils 1000 Besucherinnen und Besucher präsentieren! Die Spannung steigt und dann…. Stromausfall…
Der Programmchef Erik Julliard versucht die Gemüter zu beruhigen und schliesslich eine Alternative auf die Bühne zu bringen. Musikerinnen und Musiker sind ja genug im Hause und auch das Ensemble hat nicht erst einmal bewiesen, dass sie toll singen können. Also ab durch die 70er mit einem ABBA-Medley, welches den Saal so richtig zum kochen bringt! Mit von der Partie die Charivari-Rockband, Pfyffergrubbe d Schäärde und das Charivari-Ensemble. Die Schlussnummer, welche die Arrangeure Roman Huber und Michael Robertson, grossartig ausgearbeitet haben, liessen die Computeranimierten ABBAtare sehr schnell vergessen und hat das Prèmierenpublikum buchstäblich von den Sitzen gerissen ob dem Feuerwerk an Spassmusik, welche alle Mitwirkenden anfänglich zurückhaltend aber dann euphorisch dargeboten haben. Der absolute Höhepunkt eines von Höhepunkten gespickten Charivari 2023!
Wie beschrieben, man soll ja mit Superlativen immer etwas zurückhaltend sein….
Charivari 2023:
8. Januar bis 11. Februar 2023 (16 Vorstellungen) im Volkshaus Basel
Vorstellungsbeginn: jeweils um 20.00 Uhr, sonntags um 18.00 Uhr und am
Samstag, 4. Februar, um 14.00 und 20.00 Uhr
Letzte Tickets sind wie folgt erhältlich:
charivari.ch | ticket@charivari.ch | +41 61 266 1000
Basel Tattoo Shop | Glockengasse 4 [ Basel
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