Die Fagunzen haben am Zofinger Conzärtli, welches gestern Abend Première hatte, mit ihren verbalen Skalpellen wieder bei vielen Themen des vergangenen Jahres angesetzt und einige feine Schnitte gesetzt. Gesanglich grosse Klasse – textlich etwas harmloser!
Kennsch dr Underschiid zwischem Konzärtli … und einer andern Vorfasnachtsveranstaltung? Da gibt es einige. Zum Beispiel das Publikum: Da gibt es Besucher (und selbstverständich deren -innen), die man sonst an keiner andern Veranstaltung sieht. Oder man sieht solche nicht, die man überall sonst sieht. Da gibt es noch immer die Basler aus dem Daig. Oder die stolzen Eltern von den stolzen Fagunzen. Und ja, das ganze Ambiente ist einfach … anders. Ohne Sponsoren und Verkaufsshop-Kommerz, dafür mit vielen Studis. Sie stehen da mit ihren mobilen Blumentrögen und Fahnen und warten darauf, bis die Menschen in den San Francisco-Saal strömen um s Conzärtli zu geniessen! Und es strömen viele: Das Comité in corpore (ausser dem Drummeli-Team, das gerade anderes zu tun hat), Ehepaar Feiner vom Wettsteinplatz, der Banker Preiswerk, Alt-Regierungsrat Gass, Niggi Schoellkopf und sogar der Ex-Saffre-Baizer Hanspeter Fontana mit Gattin (er kam vermutlich weil er Vornamens-Vetter Wessels mindestens im Dialekt unterstützen wollte…)
Das Conzärtli wird eröffnet mit dem Einzug der 35 Fagunzen durch den Saal auf die Bühne – bereit um den Conzärtli-Cantus vorzutragen: eine musikalische Bedienungsanleitung für den Abend. Es wird singend vorgewarnt, dass man ohne Hemmungen alle Schichten der Bevölkerung „rupfen“ wolle, die sich falsch benommen haben:
„Duet sich naime ain iberlupfe – so wärde mir en bitte rupfe“!
Dann folgt der „Prolog“ vorgetragen – als Solo – in bestem Baseldytsch und jede Silbe genau getaktet. Der erste Vers an diesem Abend mit gefühlten 20 Zeilen, alle endend auf „Regierigswaal“ und mit der Stadtpräsidentin brutal abrechnend (Qual – trivial – fatal – es reimt sich so viel Böses auf …aal).
Und dann, ja dann folgt der Grund für das „Conzärtli“: Eben ein kurzes, aber wunderschönes klassisches Intermezzo. Vier Stücke für Klavier und Stimme, von Bartholdy, Skrjabin und Beethoven, vorgetragen von „Jackie“, „Tram Giovanni“ und „Q-Dur“, was natürlich vulgo-Namen sind…
Nach dem Abstecher in die klassische Musik beginnt der „Stiggli“-Teil mit dem Auftritt der ersten Lyyche: Die Bildungsdirektorin aus Liestal („Frau Hand-nid-gä Gwinnt“) zieht ein und trifft auf ihren Kollegen aus Basel. Der wird angewiesen:„Conradin, jetzt due doch hütte emoll eso, als wurdsch Di für Bildig interessiere…! – und schon gehen die verbalen Attacken hin und her. Am Schluss der „Stiggli“ wird oft gesungen – und das sind die Highlights des Abends! Während die schauspielerischen Leistungen gut sind, aber nicht zu vergleichen mit den Profis auf andern Bühnen (DIE STECKEN JA AUCH NICHT MITTEN IN DEN SEMESTERPRÜFUNGEN…), sind die Gesangs- und Choreoeinlagen einmalig.
Ebenso grossartig sind die immer wieder eingeblendeten und schräg parodierten BVB-Benimm-Regelungen. Gute Idee und sehr lustig umgesetzt.
Und auch in diesem Jahr kommen die beiden alten Frauen mit Rollator auf die Bühne: Marianne und Charlotte – gespielt wie alle Frauenrollen am heutigen Abend – von Männern. Sie verstehen sich permanent falsch, was zu einigen Pointen führt. Dann kommt betritt Ginggian Konstant-Dri (Christian Constantin) die Bühne und bald auch Gang-Speeter Kesselts (Hans Peter Wessels). Beide werden perfekt gedoubelt und „Kesselts“ singt grossartig den Song „St. Louis – hogge si in Dreier denn sinn si derbyy“ – bezeichnenderweise zur Melodie von Waterloo (ABBA)… Und auch hier wieder ein Beispiel für die fein gesetzten Stiche, die man oft erst später bemerkt: Während Kesselts (Wessels) über seine Arbeit lamentiert, kommt ein Drämmler-Kollege und führt ihn weg mit den Worten: „Dr Dreier kunnt – bitte drätte si zrugg!“
Einige weitere Sketches (z.B. mit Kim Jong-Un und Matthias Hüppi) führen zur Pause und zu den herrlichen und traditionellen Bachmann-Paschteetli.
Danach gehts weiter mit den Alte Stainlemer, die unter der Leitung eines riesigen Affens s Nunnefiirzli und s Ohremyggeli vortragen. Perfekt und richtig, richtig schön!
Der zweite Teil des Conzärtli nimmt Fahrt auf: Viele Sketche (mit etwas längeren Umbauten), gefühlte hundert Conzärtli-typische „Kennsch dr Underschiid…“-Pointen und grossartig vorgetragene Songs. Herausragend der Song von Ziibele Aslan und ihrer Demo-gegen-Männer-Freundin („Fuck Unzen“), die das Sinatra-Duett: „Someting stupid“ in einen veritablen BaZ-Verriss umgetextet haben, oder Konstant-Drii (Constantin), der mit seinem „Ich hab mit allen Mais“-Song einen frenetischen Applaus ersungen hat.
Es folgen kurze, scharfe und lustige „Stiggli“ über Karli Hodensatt und seine Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag (ein textlicher Höhepunkt: Karli gibt ein Interview und benützt dafür ausschliesslich Namen von Beizen!) oder über den Fasnachtsobmaa Christoph Bürgin mit seiner UNESCO-Rede.
Der „Stiggli“-Reigen wird abgeschlossen mit einem Promi-Match auf dem Landhof, wo sich die drei diesjährigen Hauptlyyche nochmals treffen und mit allen zusammen einen Schluss-Song spielen.
Der Applaus ist gross und längst vergessen ist, dass der erste Teil etwas langsamer daher kam. Und wenn sich dann die Fagunzen über die ganze Breite der Bühne aufstellen, die Arme über die Schulter legen und „La Blanche“ als traditionelles Schlusslied singen, dann ist das Gänsehaut-Gefühl. Denn dann werden alle Gschwinds, Mariannes, Charlottes und auch die gedoubelte Wendy Holdener wieder zu Männern, die richtig gut singen können. Nach dem Schlussapplaus, der kräftig ist, ziehen die Studis unter Absingen von Liedern durch die Hintertüren raus in die Nacht.
Wer das Zofinger-Conzärtli noch nie gesehen hat: Es lohnt sich. Erstens ist es die günstigste der grossen Vorfasnachtsveranstaltungen (CHF 35). Zweitens ist es total etwas anderes, ziemlich kurzweilig und zwar etwas handgestrickt – aber dennoch eine gute Unterhaltung! Vielleicht klappts spontan noch in diesem Jahr – sonst setzen Sie es auf die Liste für 2019!
Das Conzärtli wird am Freitag, 2.2. und am Samstag, 3.2. nochmals aufgeführt. Tickets sind an der Abendkasse im Congress-Centrum zu kaufen.