Zofingerconzärtli 2002: Zwei Züri-Schnuure und ein Duke aus Basel

31. Januar 2002 | Von | Kategorie: Nachrichten

Es ist schon eine besondere Veranstaltung, das Zofingerconzärtli (die Besonderheit zeigt sich sogar in der Schreibweise): Da lauscht das – mehrheitlich in Ehren ergraute – Publikum zuerst klassischen Weisen, um kurz darauf mit einem frechen Satyrestück konfrontiert zu werden, bei dem die Fagunzen oben auf der Bühne alles mögliche in den Mund nehmen, aber sicher kein Blatt davor. Und die Premiere bewies es ebenso deutlich wie der verdient lange Schlussapplaus: Die Ausgabe 2002 wahrt die Tradition und braucht sich wahrlich nicht zu verstecken.

Den Anfang machte traditionell der Conzärtlicantus, gefolgt vom Prolog. Dieser präsentierte sich alles andere als klassisch, nämlich teilweise als Rap, mit dem der natürlich gut gewandete Fagunze die Hiphopper in der Staine veralberte. Im Gegensatz zu einem ähnlich gelagerten Experiment in der Stubete ging diese Nummer nicht in die Hose, sondern ins Blut.

Und dann wurde es klassisch, wenn auch mit einem gehörigen Augenzwinkern. Humoristische Variationen über das deutsche Volkslied «S’kommt ein Vogel geflogen» lautete das Thema, wobei gleich diverse Meister vierhändig abgehandelt wurden, namentlich Wagner, Verdi, Strauss und vor allem Brahms; nicht fehlen durfte hier natürlich der unverwüstliche Ungarische Tanz Nr. 5. Gegen Schluss müssen sich allerdings leider einige Karnevalisten in den Stadtcasino-Saal verirrt haben, wurde doch zum Radetzky-Marsch munter mitgeklatscht… Die beiden polnischen Pianisten Valeri und Milewski liessen sich zum Glück nicht aus dem guten Konzept bringen.

Höhepunkt «wie all Joor» war dann das Stiggli, dieses Jahr unter dem sinnigen Titel «Harry Stotter und die Pein der Leisen oder wenn der Elch die Kuh bespringt». Gesprungen ist hier vor allem der Funke, und zwar von den glänzenden Darstellern runter zum Publikum. Bei der Auswahl der «Lyyche», auch Dramatis personae genannt, kam vor allem Zürich zum Handkuss. Lag dies daran, dass es in Basel zu wenig originelle Persönlichkeiten gibt, oder war dies die Rache der Fagunzen nach gewissen Pseudo-Facts von der Limmat?

Die politische Ausgewogenheit wurde auf alle Fälle gewahrt. Da wurde zum einen das Goldvreneli Schnörry ausgespielt, die alte Dame des Zürcher Wirtschaftsfreisinns, welche ursprünglich als Alibifrau in jeden Verwaltungsrat reingerutscht sein soll, der beim Swissair-Grounding aber jegliches Alibi abhanden gekommen sei. Herrlich hier das komödiantische Talent, dazu kamen beschwingte Tanzschritte bei den musikalischen Einlagen, welche das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. So lustig war «Oops i did it again» bei Brittney Spears noch nie…

Als Gegenpart dazu trat Moritz Baseldytschverbärger auf, eine kleine Basler Maus, die nach Zürich auswanderte, mit der dortigen Halskrankheit (vulgo: Sprache) infiziert wurde, zum Armani-Sozi mutierte und so plötzlich bis in die Bundesregierung aufstieg. Für seine Rolle wurde eine Wunderbesetzung gefunden, genau der leidende Gesichtsausdruck, die gestelzte Sprache – und grandios seine Eröffnungsansprache zur Basler Fasnacht, mit der «die Basler ihren Dank aussprechen, zur Agglomeration Zürich gehören zu dürfen.»

Eine echte Basler «Lyyche» konnte dann doch noch gesichtet werden: Tschäck the Duke. Dass dieser Mann nicht an falscher Bescheidenheit leidet und einen guten Teil des Selbstbewusstseins aus seinem Berufsstand zieht, demonstriert exemplarisch dieser Vierzeiler: Kaiser, Firschte, Grafe, Keenig / Sin zwor rächt, doch glych bitz z’wenig / Denn im Grund sin’s alles Mäggd / Im Verglich zem Archidäggd. Und er will nun die «Twin Towers» in New York wieder aufbauen, allerdings mit einer Verbindungsbrücke im 63. Stock. Dies nicht etwa aus Sicherheitsgründen, sondern, weil sich damit so schön der Buchstabe ergibt, der auf den Schöpfer hinweist.

Der Besuch des Zofingerconzärtlis 2002 ist ein ungetrübtes Vergnügen. Und dieses Vergnügen beginnt schon mit der Lektüre des Programmheftes. Die Inserenten können sich über mangelnde Aufmerksamkeit der Leser nicht beklagen, denn alles sucht zwischen den Anzeigen die kleinen Läggerlis, getarnt als Pseudopresseschau. Dabei scheut man vor schwarzem Humor keineswegs zurück: «Meine Probleme beginnen sich zu türmen», wird New Yorks Bürgermeister in den Mund geschoben, und eine deutsche Urlauberin (ist sie jetzt Witwe?) im Gotthard soll geschwärmt haben: «Mein Mann hat sich an der romantischen Athmosphäre erwärmt.» Bei diesen Bonmots ist auch wieder lokale Grösse zu finden; das FCB-Urgestein wird zitiert: «Im rechten Flügel des Kantonsspitals konnte ich meine grössten Erfolge feiern.» Zu Recht einen grossen Erfolg feiern konnten auf alle Fälle die Fagunzen mit dem Zofingerconzärtli 2002.